Am 22. September 2025 hat das bürgerlich dominierte Gemeindeparlament Schlieren beschlossen, den gestaffelten Ausstieg aus dem Gasnetz von 2030 auf 2035 zu verschieben. Was auf den ersten Blick nach einer pragmatischen Anpassung klingt, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als ökologisch, ökonomisch und sicherheitspolitisch problematisch. Die Grüne Fraktion Schlieren hat sich in der Debatte klar gegen diese Verschiebung ausgesprochen – aus Verantwortung gegenüber Umwelt, Bevölkerung und Zukunft.
Klimaschutz beginnt lokal – und braucht Tempo
Die Klimakrise ist eine globale Herausforderung, aber die Lösungen beginnen lokal. Der Schlieremer Stadtrat hat mit mit seiner ursprünglichen Vorlage eines gestaffelten Gasausstiegs ab 2030 ein mutiges Zeichen gesetzt. Die nun beschlossene Verschiebung bedeutet fünf weitere Jahre fossile Infrastruktur – mit geschätzt über 50’000 Tonnen zusätzlicher CO₂-Emissionen. Das ist keine abstrakte Zahl, sondern konkret messbar:
- 50’000 Tonnen CO₂ entsprechen:
- über 11’000 Weltumrundungen mit einem Mittelklasse-Benziner,
- Tausenden Transatlantikflügen,
- oder der Leistung von Millionen Bäumen, die ein Jahr lang wachsen müssten, um das CO₂ zu kompensieren.
Der kommunale Energieplan zeigt klar: Schlieren kann den Wärmebedarf bis 2040 vollständig erneuerbar decken. Der Wärmesektor ist mit 43 % der grösste Energieverbraucher in der Stadt – hier liegt ein besonders wirksamer Hebel für den Klimaschutz. Jeder Tag, den wir länger am Gas festhalten, ist ein verlorener Tag für die Energiewende.
Ökonomisch nicht nachhaltig – und langfristig teurer
Die Verschiebung auf 2035 ist auch aus finanzieller Sicht fragwürdig. Laut Stadtrat SVP Beat Kilchenmann verursacht sie zusätzliche unnötige Infrastrukturkosten von rund 1.3 Mio Franken, allein für die Instandhaltung alter Gasleitungen in den zuerst betroffenen Gebieten. Diese Investitionen nach fünf Jahren verloren, somit sehr kurzfristig und nicht zukunftsfähig. Verschwendetes Geld.
Zudem zeigt die kantonale Energiegesetzrevision, die 2022 deutlich angenommen wurde: Fossile Heizsysteme müssen am Ende ihrer Lebensdauer durch klimaneutrale Alternativen ersetzt werden – und das ist nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern auch wirtschaftlich. Eine Medienmitteilung des Kantons Zürich vom Mai 2024 bestätigt:
- Über 98 % der ersetzten Heizungen sind klimaneutral.
- Nur 1,3 % der neuen Heizungen sind fossil.
Das zeigt: Der Ersatz fossiler Heizungen ist heute praktisch immer günstiger als die fossile Alternative – und je früher der Umstieg erfolgt, desto grösser ist der Kostenvorteil. Ein verzögerter Ausstieg bringt den Liegenschaftsbesitzer:innen langfristig mehr Kosten, nicht weniger.
Unabhängigkeit und Versorgungssicherheit statt geopolitischer Abhängigkeit
Gas wird grösstenteils aus dem Ausland bezogen – oft aus Staaten mit fragwürdiger Menschenrechtslage und instabiler geopolitischer Situation. Laut dem Verband der Schweizer Gasindustrie stammen 38 % des Gases aus LNG-Importen, unter anderem aus den USA, Katar, Algerien, Nigeria – und auch Russland. Weitere 11 % kommen direkt aus Russland. Nur rund ein Drittel stammt aus vergleichsweise stabilen Quellen wie der Nordsee.
Diese Abhängigkeit hat direkte Auswirkungen auf die Preisentwicklung: Schlieren zahlte 2024 rund 7 Mio Franken mehr für Gas als im Vorjahr – allein durch Markt- und geopolitische Schwankungen. Das ist das Gegenteil von Planungssicherheit. Fernwärme und Strom hingegen stammen grösstenteils aus der Schweiz und bieten deutlich mehr Stabilität und Unabhängigkeit.
Soziale Verantwortung und Fairness: Wer profitiert wirklich?
Die geplante Kostenübernahme für die Stilllegung der Gasanschlüsse durch den Gas Eigenwirtschaftsbetrieb ist grundsätzlich positiv – sie unterstützt den Umstieg auf erneuerbare Heizsysteme. Doch sie wirft auch Fragen auf:
- Warum wird hier grosszügig unterstützt, während in anderen Bereichen – etwa Bildung, soziale Infrastruktur oder Wasserleitungsunterhalt – gespart wird?
- Warum wird für private Grundstückbesitzer Geld gesprochen, während öffentliche Aufgaben gekürzt werden?
- Und wie fühlen sich jene, die bereits freiwillig, auf eigene Kosten, auf nachhaltige Heizsysteme umgestiegen sind?
Diese Ungleichbehandlung wirkt wie eine Vertretung von Partikularinteressen im Vorwahlkampf der bürgerlichen Parteien (inkl. GLP). Es entsteht der Eindruck, dass finanzielle Unterstützung vor allem dort fliesst, wo sie der eigenen Wählerschaft nützt – und nicht dort, wo sie gesellschaftlich am dringendsten gebraucht wird.
Fazit: Schlieren kann mehr – und sollte mehr wollen
Die Verschiebung des Gasausstiegs ist aus unserer Sicht ein Rückschritt. Sie ist:
- ökologisch schädlich,
- ökonomisch nicht nachhaltig,
- sicherheitspolitisch riskant,
- und sozial fragwürdig.
Schlieren hat das Potenzial, mutig voranzugehen. Der ursprüngliche Plan ab 2030 war ambitioniert – und genau das braucht es heute. Wir setzen uns für eine Politik ein, die Verantwortung übernimmt, die langfristig denkt und die Lösungen für morgen schafft – nicht für gestern.


